Internationaler Frauentag

Ausbilderin Jennifer Nitschik ist gerne Vorbild

Jennifer Nitschik arbeitet seit 2012 als Ausbilderin für angehende Zerspanungsmechaniker. Bei der SIHK Akademie ist sie die einzige Ausbilderin im gewerblich-technischen Bereich, und auch im Alltag hat sie es zum weit überwiegenden Teil mit männlichen Azubis zu tun.
Mit 19 Jahren entschied sich die heute 35-jährige Altenaerin für den Weg in einen typischen Männerberuf. Im Interview spricht die zweifache Mutter über ihren Einstieg in die Männerwelt und verrät, wie technische Berufe für Frauen attraktiver werden könnten.
Warum sind Sie Zerspanungsmechanikerin geworden?
Ich wollte ursprünglich in den Versicherungsbereich, habe aber bald gemerkt, dass das für mich alles zu trocken ist. Ich hatte schon ein Jahr lang in der Montage gearbeitet und verschiedene Berufe kennengelernt. Da wurde mein Interesse geweckt.
Ursprünglich war aber erst einmal der Wunsch nach einem Bürojob da?
Es wurde für die anderen Berufe nicht viel Werbung gemacht. Viele meiner Freundinnen sind Frisörin geworden, beim Bäcker oder im Pflegebereich gelandet. Ich hatte mich auch mal für das Hotelfach interessiert. Die sagten aber, dass ich rund um die Uhr an allen Tagen arbeiten müsste. Ich hätte immer dann arbeiten müssen, wenn andere Menschen frei haben. Das war nichts für mich. Ich war damals aber auch erst 16 Jahre alt.
In welchem Alter haben Sie dann die Ausbildung begonnen?
Mit 19. Vorher hatte ich noch die kaufmännische Schule abgeschlossen. Aber die Berufe passten einfach nicht zu mir.
Wie war es dann, in diese Männerwelt einzutreten?
Frontal! Ich stand an jedem Tag vor einer neuen Herausforderung. Manche Altgesellen waren total ruppig. Es gibt in dem Bereich viele Leute, die sich verbal nicht so gut äußern können. Auch nicht jeder mit einem Ausbilderschein kann wirklich gut mit Menschen umgehen. Es gibt Choleriker, die ausrasten und Dinge durch die Gegend schmeißen. Das war für mich eine komplett neue Welt, weil ich völlig gewaltfrei aufgewachsen bin.
Insgesamt hatte ich aber super Arbeitskollegen, die mir auch vieles gezeigt haben und geduldig waren. Ich bin sehr glücklich über jede einzelne Erfahrung und die Begegnungen. Denn ohne diese ganzen Eindrücke hätte ich nicht die große Motivation entwickelt, um mich weiterzubilden und meinen jetzigen Beruf in der SIHK Akademie zu finden. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Grummelköppe sind inzwischen alle in Rente.
Sind Sie auf Vorbehalte gestoßen?
Ja klar! Ich wurde mal mit einem Motor im Arm stehen gelassen: „Du wolltest ja in diesen Beruf, jetzt sieh zu“, hieß es da. Ich habe den Beruf aber nicht gewählt, weil ich unbedingt schwere Sachen heben will.
War das eher ein Initiationsritual oder schon Mobbing?
Ich glaube, viele sind einfach genervt und wollen keinen schwachen Menschen auf der Arbeit haben. Deswegen werden ja viele auch wegen ihrer körperlichen Kraft ausgewählt, und Frauen können meistens nicht so schwer heben wie Männer. Da kommst du schon an deine Grenzen.
Wenn Sie völlig gewaltfrei aufgewachsen sind, war die Männerwelt ein Kulturschock?
Manche sind so grob in ihrer Art! Die kommen morgens rein und schreien dich mit „Guten Morgen!!!“ an, dann drehst du dich um, und die sind schon weg. Wenn man jünger ist und diese Art nicht gewohnt ist, dann ist das schon komisch. Die haben wahrscheinlich gedacht: „Was sitzt denn da für eine Primel?“ Männer verrichten auch lieber zielgerichtet ihre Arbeit. Die bauen ohne viel Gequatsche eine Maschine um, und wenn sie fertig sind, kommt die nächste.
Wer hat sich denn mit der Zeit wem angepasst?
Ich habe mich schon eher den Männern angepasst. Als Auszubildende hast du ja nicht viel zu melden. Du musst erst mal etwas leisten, bevor du auf den Tisch hauen kannst.
Gab es ganz praktische Dinge, die schwierig waren – allein zum Beispiel die Toilettenfrage?
In meinem Ausbildungsbetrieb gab es eine Frauenumkleide. Ganz oft ist das aber wirklich nicht getrennt. Jetzt als Ausbilderin komme ich meist schon in Arbeitskleidung und muss mich gar nicht großartig umziehen.
Wie ist es dann zu dem Schritt gekommen, Ausbilderin zu werden?
Ich habe schon während meiner Ausbildung gemerkt, dass ich in die Richtung gehen möchte. Ich dachte, ich könnte auch etwas für die jungen Leute tun. Ich erkläre total gerne, auch gerne so lange, bis jemand verstanden hat. Und ich rede unheimlich gerne und viel! Der Neigung sollte man dann schon nachgehen. Ich erzähle zur Not zehn- oder zwölfmal dasselbe und habe immer noch gute Laune dabei.
Wie sind Sie von den Ausbilder-Kollegen aufgenommen worden?
Da kann ich auf meine Kollegen nichts kommen lassen. Die sind echt total nett und ich bin immer und überall total gut empfangen worden.
Fühlen Sie sich als Pionierin?
Nein, gar nicht. Für mich sind eher die Frauen Pioniere, die ihren Meister gemacht haben und in den Betrieben arbeiten. Die haben oft ein schweres Standing, weil sie zwischen der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern stehen und sehr viel Druck aushalten müssen.
Ich finde es aber trotzdem gut, Vorbild zu sein. Es sind ja jetzt schon viel mehr Frauen als früher. Das ist auch gut, weil es die Welt bunter macht.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in technische Berufe finden?
Das wird kommen, aber die Arbeitgeber müssen sich Mühe geben. Frauen bekommen irgendwann Kinder, und Kinder rufen immer nach ihrer Mama, wenn sie krank sind. Das muss man zu Hause organisieren, aber auch die Arbeitgeber müssen da Lösungen anbieten und entgegenkommen. Die Arbeitszeitmodelle müssen dann vielleicht attraktiver werden. Für Alleinerziehende ist es zum Beispiel kaum möglich, in so einem Beruf zu arbeiten.